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In der Pfarrei von Schwalbach nahe Saarlouis findet sich die umfangreiche Chronik der Pfarrei Schwalbach, niedergeschrieben von Pfarrer Franz Georg Wolf.

Die in Sütterlin-Handschrift verfasste Chronik setzt im Jahre 1869 ein und endet 1892. Alle für den Krieg von 1870-1871 relevanten Passagen wurden transkribiert und werden hier erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

Anmerkung zu den Aufzeichnungen des Pfarrers Franz Georg Wolf, Pfarrei Schwalbach

Pfarrer Wolf,  geboren am 11.10.1836 zu Dern an der Lahn, war von 1866 bis 1892 Pfarrer der Dörfer Schwalbach, Griesborn und Knausholz, die zusammen eine Pfarrei bildeten und eine Kirche in Schwalbach besaßen.  Um 1870 zählte Schwalbach  ca 1.300 Einwohner, Griesborn (Filialgemeinde)  ca. 600 Einwohner und Knausholz (heute Elm), durch einen Bergrücken von den beiden vorgenannten Orten getrennt, etwa 400 Einwohner. 1870  hatten auch die vorgenannten 3 Orte eine  gemeinsame Schule in Schwalbach.

In Schwalbach lagen 1870 fünf Gruben, wovon eine einen Eisenbahnanschluss nach Ensdorf hatte. 1 Grube lag in der Mitte der beiden Orte Schwalbach und Griesborn, an der Grenze, die auch von 1580 bis 1815 die Staatsgrenze zwischen Nassau-Saarbrücken (Schwalbach) und Lothringen bzw. Frankreich (Griesborn) bildete.  Im Ortsteil Schwalbach wurden 1859 von der Grubenverwaltung die Schlafhäuser errichtet, langgestreckte einstöckige Gebäude, in den auswärtige Bergleute untergebracht waren.

In den 3 Orten gab es überwiegend Katholiken. Evangelische waren sehr gering vertreten, etwa 100 Personen. Die Grubenbeamte waren in der Regel evang. Konfession (viele aus preuß. Landen)

Pastor Wolf hat eine umfangreiche Chronik (über 300 Seiten, großformatig, ) in Süterlin - Schrift erstellt und alles wissenswerte über seine Pfarrei und auch die Ereignisse während seiner Tätigkeit als Pfarrer in Schwalbach festgehalten.

Auszüge aus der Chronik des Pfarrer Franz Georg Wolf

Herzog Gramont (französischer Außenminister)Freitag, den 15. Juli, Nachmittags 1 Uhr 50 Minuten schloß der französische Minister des Auswärtigen, der Herzog von Grammont, seine Auseinandersetzung im gesetzgebenden Körper zu Paris im Auftrag der französischen Regierung mit einer Kriegserklärung gegen Preußen! (Telegraphische Depesche der Kölnischen Zeitung). Das war die Brandfackel, welche eine schwankende, von innern Partheiungen bedrängte Regierung zu ihrer eigenen Rettung in den tiefen Frieden eines Nachbarlandes schleuderte. Alle Stimmen des In- und Auslandes sind in dem Ausspruch einig, dass niemals ein Krieg in frevelhafterer Weise provoziert, niemals in einer übermüthigender Weise angekündet worden sei, als dieser; (und) ebenso hoffen aber auch Alle, dass jetzt dem streitsüchtigen gallischen Hahn einmal gründlich der Übermuth gebrochen und seinen Prätentionen ein Ende gemacht werde.

Nur wenige Worte über nächste Veranlassung zum Kriege, der Grund und die eigentliche Ursache dazu liegen tiefer: sie lag ausgesprochen in den Idées napoleoniennes v. 1839, lag in der Erinnerung an Waaterloo, an Königgrätz oder Sadowa, lag endlich in der Furcht vor der deutschen Einheit.

Im September d.J. 1868 hatten die Spanier ihre Königin Isabella verjagt und die Republik proclamiert; dieselbe schien ihnen aber nicht zu behagen, und darum sahen sie sich wiederholt nach einem neuen König um, aber vergeblich. Am elften Juni c. erklärte endlich der spanische Ministerpräsident,  in der Kammer zu Madrid, er habe einen Thronkandidaten gefunden, der bereit sei, die Krone des Landes anzunehmen. Derselbe habe alle Eigenschaften, die von einem solchen gefordert werden könnten: „er sei von königlichem Stamme, katholisch und mündig, jedoch könne er den Namen desselben noch nicht nennen, da er einerseits durch Ehrenwort zum Schweigen verpflichtet sei, andererseits keine politischen Verwicklungen herbeiführen wolle!“ (cf. Erstes Blatt der Kölnischen Volkszeitung vom 13. Juli 1870, No. 191). Ob das Ganze nun, wie man behauptetem ein fein ausgesponnener Plan zwischen den Kabinetten von Madrid und Paris war oder nicht, mag dahingestellt bleiben! Tatsache ist, dass die spanische Regierung unterm 10. Juli durch ihren Vertreter überall erklären ließ, dass sie ihre betreffenden Verhandlungen nur mit dem gedachten Prinzen allein geführt, nicht durch den Minister des Staates, worin der Prinz ansässig sei.“ (cf. Telegramm der K.Volkszeitung im ersten Blatt vom 11. Juli 1870, No. 189).

Unterm 4. Juli c. brachte nun der Constitutionnel, das Organ des frz. Ministeriums die Mittheilung, „dass Prinz Leopold v. Hohenzollern – aus der katholischen Linie der Hohenzollern, weiland Hohenzollern-Hechingen–Siegmaringen, Bruder des Prinzen Karl von Hohenzollern, gegenwärtig Fürst v.Rumänien und des bei Königgrätz gefallenen Prinzen Anton v. Hohenzollern – die spanische Krone angenommen habe.“ Am folgenden Tage deponirte ein Abgeordneter in der franz. Kammer eine wahrscheinlich vorherbestellte Interpellation über die spanische Frage, worauf Grammont erklärte, die Regierung nie dulden werde, dass ein preußischer Prinz den Thron Carls V (?) besteige. Am 6. Juli wurde die Sprache der beiden franz. Hauptminister Grammont u. Ollivier noch drohender gegen Preußen; sie erklärten, der König solle dem Kandidaten verbieten, die span. Krone anzunehmen, widrigenfalls Frankreich auch vor einem Krieg gegen Preußen nicht zurückschrecken werde; ebenso am 7. Juli (cf. Die telegraphische Depesche in No. 185 , 186 der Köln. Volkszeitung). Inzwischen war der König v.Preußen ruhig in Ems, wo er die Badekur benutzte,  und wie er, so nahm, wie französische Blätter constatirten (cf. Unter anderem  das Blatt Graniers de Cassagnac des Pays, angeführt im 2. Blatt der Köln.Volkszeitung v. 12. Juli No. 190) kein Mensch jenseits des Rheines irgend welche Notiz an dem franz. Lärm. Ebenso blieb die Reise des preuß. Gesandten von Paris nach Ems und wieder zurück ohne irgend welchen Eindruck. Am 9. Juli erschien der franz. Botschafter in Ems und verlangte in einer Audienz vom König, dass er dem Prinzen Leopold die Annahme des span. Thrones verbieten solle. Der König erwiderte, er könne in der Sache dem Prinz Leopold gegenüber nur als Familienhaupt handeln, und da er ihm als solches keinen Befehl zur Annahme der Krone gegeben habe, auch keinen Befehl zur Zurücknahme seiner Kandidatur geben. Am 11. erschien Benedetti zu einer neuen Audienz, worin er sein früheres Verlangen wiederholte, und stärker betonte, worauf der König abermals erwiederte, man möge ihn mit der Angelegenheit doch nicht behelligen, da er mit der Sache doch nichts zu thun habe. Prinz Leopold sei in seinen Entschließungen frei; auch wisse der König nicht einmal, wo er sich gegenwärtig aufhalte. Am 13. Juli, Morgens früh überreichte der König dann dem Botschafter auf der Brunnenpromenade ein so eben eingetroffenes Telegramm der Köln.Zeitung, wonach „Prinz Leopold angesichts der entstehenden Verwicklungen seine Kandidatur zurückgezogen und auf den spanischen Thron Verzicht geleistet habe, mit dem Hinzufügen, dass die widerwärtige Sache doch wohl jetzt ein Ende haben werde. Genannte Verzichtleistung war bereits unterm 12. Juli in dem durch die Rodomontaden Grammonts und Olliviers  furchtbar aufgeregten Paris eingetroffen. In dem sofort abgehaltenen Ministerrath sollten mehrere Minister sich dafür erklärt haben, dass die spanische Frage jetzt erledigt sei und man keinen weiteren Grund zu einem feindlichen Auftreten gegen Preußen habe, andere Minister hätten dagegen erklärt, dass man einen weiteren Grund dann eben suchen müsse, da sich nie wieder eine so günstige Gelegenheit zum Kriege bieten würde. Vor allem sei es der Kriegsminister Leboeuf gewesen, welcher seine Angst vor einer friedlichen Beilegung des Streites nicht habe verhehlen können! Wiederholt habe er mit seinem Falzbein auf seine Mappe getrommelt unter dem Ausrufe: O mon Dieu, mon dieu, nous sommes archiprèts“  Endlich habe der Kaiser im Gefühle, dass er unter allen Umständen darauf sehen müsse, durch eine gloire seinen Thron zu befestigen und die Armee wieder mit neuen Sympathien für sich und seine Dynastie zu erfüllen, den Ausschlag gegeben und zwar für den Krieg, indem er Grammmont beauftragte, Benedetti in Ems mit neuen Instructionen zu versehen, „dass er vom Könige die Versicherung verlange, „er werde, falls später noch einmal dem Prinzen Leopold die spanische Krone angeboten werden sollte, unter allen Umständen die Erlaubniß zur Annahme derselben verweigern“! Wie man später mit aller Bestimmtheit versicherte, wären dieser Instruction an Benedetti noch die Worte beigesetzt gewesen: Brusquez le roi!  Mag dem nun so sein oder nicht, glaublich klingt die Behauptung wenn man damit die Infinuation vergleicht, welche der franz. Minister an den preuß. Gesandten in Paris richtete, er möge bei seinem Herrn dem König einen eigenhändig geschriebenen Brief an den Kaiser erwirken, worin jener die bereits erwähnte Versicherung unter Hervorhebung der bisherigen guten Beziehungen zwischen Preußen und Frankreich noch einmal erneuere, welcher Brief dann der Öffentlichkeit übergeben wrden sollte. In Privatgesprächen hoben die beiden Minister von Frankreich dann hervor, wenn Preußen auch, wie sie befürchteten, jene verlangte Garantie geben wolle, so müsse es, ehe vom Frieden Rede sein könne, auch noch  Mainz aufgeben, seine Verträge von 1866 mit den Südstaaten lösen und Artikel V des Prager Friedens erfüllen.

Demgemäß verlangte der franz. Botschafter am Morgen des 13. Juli, nachdem ihm der König das erwähnte Telegramm der Kölnischen Zeitung überreicht hatte, die bereits wiederholt erwähnte Versicherung ‚“dass der König nie wieder seine Einwilligung geben werde, wenn die quasi Thronkandidatur etwa später noch einmal auftauchen sollte“. Sei es nun, dass dem Könige eine Ahnung von der gegen ihn beabsichtigten Demüthigung aufstieg oder nicht, er weigerte sich, dem an ihn gerichteten Ansinnen zu willfahren mit dem Bemerken, dass etwaige weitere Verhandlungen in der Sache durch die betreffenden Ministerien geführt werden sollten. Kaum war er aber in seine Wohnung zurückgekehrt, als Benedetti wiederum erschien und eine abermalige Audienz verlangte, um noch einmal über denselben Gegenstand mit S.Majestät  zu reden, sei es auch nur, um dieselben Worte von heute Morgen noch einmal zu hören. Der König aber ließ ihn durch seinen Flügeladjutanten, Fürsten Radziwill bedeuten, er müsse es entschieden ablehnen, sich in weitere Diskussionen bezüglich der in Rede stehenden Angelegenheit einzulassen. Was er heute Morgen gesagt, sei sein letztes Wort. Benedetti rüstete sich darauf sofort zur Abreise und verabschiedete sich am folgenden Morgen bei dem Könige auf dem Bahnhof zu Coblenz, wohin se. Majestät an diesem Tage zur Parade gefahren war.

Daß es nun „los gehen werde“, verstand sich ganz von selbst, trotzdem dass Tausend und aber Tausend sich noch krampfhaft an den Gedanken anklammerten: Nein, Napoleon kann eine solche Verantwortlichkeit nicht auf sich laden, in Zeit von 10 Tagen aus dem tiefsten Frieden zum furchtbarsten Krieg überzugehen, zumal da der Gegenstand seiner Besorgniß, die Kandidatur eines Hohenzollerischen Prinzen – wohlgemerkt nicht preußischen Prinzen – auf den spanischen Thron beseitigt ist und sein Minister Ollivier noch unterm 20. Juni in der französischen Kammer erklärt hatte, die Weltlage sei nie eine so eminent friedliche gewesen wie damals. Allein Napoleon hatte, wie wir oben gesagt und im Laufe unseres Resümes nachgewiesen haben, einen Krieg und eine gute Dosis Gloire für sich und sein Regiment nothwendig, und darum konnte ihn nichts von seinem frevelhaften Verhalten abbringen.

Bereits am Abend des 14. Juli wusste er durch seine allmächtige Polizei eine gewaltige Demonstration zu Gunsten des Krieges auf den Boulevards und in den Studenten-Quartieren von Paris ins Werk zu setzen. Eine unermessliche Volksmenge durchwogte die Straßen unter Gesang und den Rufen: „Hoch der Kaiser! Nieder mit Preußen! Es lebe der König! Auf nach Berlin! Nieder mit Bismarck!“ Gleichzeitig ließ er aber eine fast eben so imposante Demonstration von Arbeitern und stillen Bürgern im Sinne des Friedens durch Polizei-Attacken auseinandertreiben und viele von den Theilnehmern an derselben verhaften. Am fünfzehnten Juli Nachmittags Ein Uhr machte dann die franz. Regierung durch die Minister Gramont und Ollivier gleichzeitig den Senat und den gesetzgebenden Körper in Paris Mittheilung von der Sachlage und schloß mit der Ankündigung des Krieges gegen Preußen, der nothwendig geworden sei, einmal durch die dem franz. Botschafter vom König in Ems zugefügte Beleidigung (?) zweitens durch ein Rundschreiben des Königs an die preuß. Geschäftsträger im Ausland, worin der Benedetti zugefügte Schimpf bestätigt werde, (??) und endlich drittens darum, weil der König die Verzichtleistung des Prinzen von Hohenzollern nicht bestätigt, sondern demselben die Freiheit die spanische Krone anzunehmen zurückgegeben habe. (???!!) (cf. Köln. Volkszeitung 2. Blatt v. 16. Juli 1870. No. 194). In beiden Häusern folgte der lebhafte Beifall diesen Lügen; die wenigen Besonnenen, welche von einem so frevelhaften Krieg abriethen, resp. erst genauer von der Sachlage und der Nothwendigkeit dieses Krieges unterrichtet sein wollten, wurden mit Hülfe der beiden Minister niedergeschrien und als Preußen, Feinde des Vaterlandes, bezeichnet. Ollivier beschwor sogar die Kammer nicht auf Vorlage von Dokumenten zu bestehen – (natürlich, weil er keine hatte) – und erklärte, „die französische Regierung übernehme leichten Herzens die Verantwortlichkeit für den Krieg!“ Natürlich wurden alle Forderungen bewilligt. Noch an demselben Tage reiste der preuß. Gesandte von Paris, der König dagegen von Ems nach Berlin ab, allüberall von begeistertem Jubel seiner Unterthanen empfangen. Die neuen  Provinzen wetteiferten darin mit den alten, Hannover und Kassel mit Magdeburg und Berlin. Noch am Abend des 15. Juli gab der König die Order zur Mobilmachung des gesammten norddeutschen Heeres, am 16. und 17. folgte die Mobilmachung der süddeutschen Heere mit dem Hinzufügen, dass sie unter preußischen Oberbefehl gestellt werden sollten und jetzt brach die Begeisterung erst recht los. Von allen Seiten drängten sich, ähnlich wie 1813, die Freiwilligen herbei, sowohl aus den höchsten wie aus den niedrigsten Ständen, so daß Viele von ihnen zurück- oder gar abgewiesen werden mussten. Die großen Handelsstädte, Corporationen und einzelne Personen stellten dem Staat große Summen zur Verfügung, sowohl zur Bestreitung der nothwendigen Bedürfnisse als auch zur Belohnung für solche, welche sich in dem Krieg besonders hervorthun würden, und beliefen sich einzelne dieser Prämien bis auf 300 Thr. Berlin stellte sofort 1 Mill. Thlr., Bonn 100.000, 18 Firmen aus Barmen nicht weniger als 17.700 Thlr; Sogar aus weiter Ferne kamen von den Deutschen per Telegramm Wechsel auf riesige Summmen für die Regierung: Von St. Louis in Amerika 1 Million Dollar; von Petersburg 15.000 Rubel; dann bewilligte Berlin am 20. oder 22 Juli abermals  80.000 Thlr für die Verwundeten und dabei brachte jede Zeitung jeden Tage neue Ankündigungen großer patriotischer Gaben. Überall bildeten sich Frauenvereine zur Pflege der Verwundeten, wurden Sammelstellen errichtet zur Entgegennahme von Liebesgaben; die protest. Johaniter- und kathol. Malteser-ritter organisierten sich ebenfalls zum Krankendienst. Katholische Ordensmitglieder boten sich an zur Seelsorge und zum Lazarethdienste, mit einem Wort: Jeder wollte sein Scherflein zu dem großen Werk beitragen! Gewiß, es war eine große, gewaltige und erhebende Zeit damals, die Niemand vergessen wird! Hätte Schwalbach nicht zu nahe an der Grenze gelegen, ich wäre ebenfalls unter denen gewesen, die sich zur Übernahme der Seelsorge im Feld oder zum Dienst in den Lazarethen gemeldet hätten. Am 19. Juli wurde die offizielle frlanz. Kriegserklärung in Berlin übergeben. Natürlich ist hier nicht der Platz, über die weiteren allgemeinen Ereignisse zu berichten: Damit würden wir über die uns gesteckten Grenzen weit hinausgehend. Kehren wir darum zu dem zurück, was sich in Schwalbach oder doch der nächsten Umgebung unserer Pfarrei ereignete.