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Noch in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli, war die Mobilmachungsorder nach Trier und Saarlouis gekommen, und hatte man sofort Alles aufgeboten um die dem Feinde am Meisten exponirten Punkte in etwa wenigstens zu decken, wenn überhaupt noch bei dem großen Vorsprung, den die Franzosen natürlich bei ihren Rüstungen hatten, noch von einer Deckung derselben Rede sein konnte. So wurde dann die Mannschaft des 40. Regiments in Trier sofort kriegsmäßig ausgerüstet und zum Theil nach Saarlouis, zum Theil nach Saarbrücken geworfen, natürlich per Bahn. Ebenso wurden noch in derselben Nacht in Saarlouis die Wäller armirt, die Saarschleußen zur Inundirung der Festung eingesetzt und die vorhandenen Equipirungsgegenstände eingepackt und nach dem Rhein geschafft. Ohne etwas von der inzwischen eingetroffenden Mobilmachungsordre zu wissen, aber von einer unerklärlichen Unruhe getrieben ging ich Samstag den 16. Juli, Morgens gegen 9 oder ½ 10 Uhr in die Stadt.  (Anm. es folgt eine persönl. Schilderung des Schreibers über die Verhältnisse in der Stadt Saarlouis, die ich in anderer Schrift darstelle) 

Region um Saarlouis (2. August 1870)

Saarlouis und Umgebung (2. August 1870)

Bereits am Fort Rauch blitzten mir im Sonnenschein die Mündungen der Kanonen von den Wällen entgegen sowie die Bajonette der dabei aufgestellten Posten, ein höchst befremdender Anblick. Zwischen den Festungsthoren und dem erwähnten Fort begegnete ich einer Kompagnie vom 40. Regiment, welche, natürlich in die besten Montirungen gekleidet, Patronen aus dem Pulverschuppen resp. Laboratorium entnommen hatten. Selbstverständlich konnte mir nun über die Lage  der Sache kein Zweifel mehr aufstoßen, zumal da ich gleichzeitig hörte, dass die in Saarlouis garnisonirenden Uhlanen bereits in der verflossenen Nacht mit den übrigen disponibelen Truppen von da per Bahn nach Saarbrücken verladen worden seien. In Saarlouis selbst fand ich die furchtbarste Aufregung. Um ½ 11 Uhr wurden überall Plakate angeschlagen, wonach die Mobilmachung beschlossen, alle Beurlaubten sofort zu ihren Truppenkörpern zurückzukehren hätten, die Reservisten, Landwhrleute und Ersatzreserve I Classe dagegen sich schleunigst, sei es per Bahn oder zu Fuß, nach Engers zu ihrer Einkleidung begeben sollten. Einberufungszettel an den Einzelnen auszugeben gestattete die Noth des Augenblicks und die Kürze der Zeit nicht; aber nichts desto weniger beeilten sich Alle, jener Bekanntmachung Folge zu leisten. Alles eilte zur Bahn, um nur ja noch  befördert zu werden, weil man jeden Augenblick befürchten müsste, die Herren Franzosen würden über die Grenze vorgehen und die Bahn unbefahrbar machen. Wo der Einzelne dann ein Plätzchen fand, war ihm ganz einerlei, in einem Coupé erster Klasse oder auf dem Trittbrett eines Packwagens, ob auf dem Tender der Lokomotive oder auf dem Deck eines Viehwagens, und wenn nur einmal der erste Schmerz über die Trennung von Haus und Hof und Weib und Kind überwunden war, dannn ging es mit Fröhlichkeit und Singen weiter.

Um zwei Uhr nachmittags, wurde dann in Saarlouis der Belagerungszustand proclamirt. Inzwischen war morgens hier auf der Grube die Weisung angekommen, die Bergleute vollständig auszulöhnen und den Beamten einen Gehaltsvorschuß von 3 Monaten zu zahlen, wahrscheinlich um die Grubenkasse zu leeren. Der Berginspektor welcher auch einberufen wurde, hielt noch eine kurze Ansprache an die versammelten Bergleute, worin er ihnen unter Anderem bedeutete, die zurückbleibenden Bergleute und Beamten sollten, auch wenn die Grube von Franzosen besetzt werden sollte, ruhig weiter functioniren, dabei aber nicht vergessen, dass sie preußische Unterthanen seien und deßhalb stets das Beste des preuß. Staates im Auge halten. Dann übertrug er seine Stelle interimistisch dem Berggeschworenen H e i n z. Abends um 9 Uhr wurde dann die Aufforderung, welche in der Stadt um ½ 11 Uhr affichirt worden war, auch hier mit der Schelle bekannt gemacht, worauf sich die dadurch Betroffenen sofort zum Abzug rüsteten. Einzelne mussten sogar noch aus der Grube von der Arbeit gerufen werden. Ich setzte mich sofort in den Beichtstuhl und hörte die Abberufenen z.hl. Beichte, bis Morgens früh um ½ 1 Uhr. Um 4 Uhr theilte ich die hl. Comm. aus und hielt an die Scheidenden noch eine kurze Ansprache, worauf sie gegen 6 Uhr nach Bous zur Bahn abmarschirten(Gegen 60 Mann). Ebenso saß ich um dieses gleich hier anzuführen in der Nacht vom 18. auf den 19. für eine zweite Abtheilung bis gegen 12 Uhr z.hl.Beichte welche dann in der Frühe des 19. von hier abzogen. Unter den zuerst Einberufenen und Abmarschirten war auch der Lehrer an der hiesigen dritten Schule M. Sartorius, welche in Folge dessen bis zum 7. November c. ausgesetzt bleiben musste. Sonntag, den 17. Juli, Morgens um 7 Uhr wurde dann hier bekannt gemacht, dass Alle ihre Feldfrüchte, soweit sie noch draußen seien, einheimsen sollten. Um 10 Uhr erging von der Kommandantur in Saarlouis der Befehl an die Bewohner der Stadt, von Fraulautern und Lisdorf, dass sofort alle Häuser und Baracken im ersten Festungsrayon geräumt und zur Niederlegung fertig gestellt werden müssten. Sonntag Nachmittag wurde das Festungsglacis rasirt und gleichzeitig in den benachbarten Orten (jedoch nicht in hiesiger Pfarrei) eine bedeutende Anzahl Schlachtvieh zur Verproviantirung der Festung requirirt. In Folge dessen bemächtigte sich eine ungeheuere Panik der meisten Ein- und Umwohner von Saarlouis. Hatte das Brod am Samstag Nachmittag (6 Pfd) in Saarlouis bereit 15 Sgr. Gekostet, so forderte man am Sonntag Nachmittag in Fraulautern bereits 1 Tr. Dafür. Salz kostete 3-31/2 Sgr.pro Pfund. Hier war kein Mehl, keine Kartoffel, nichts mehr zu haben, in Saarlouis natürlich noch viel weniger. Montag Morgen mussten sämmtliche Pferdebesitzer der Umgebung mit ihren Pferden zur Ausmusterung derselben auf dem Festungsglacis rsp. dem Brückenkopf erscheinen. Dienstag Morgen kam der Befehl an die noch anwesenden Grubenbeamten, sofort zum definitiven Abschluß der Grubenrechnung zu schreiten; gegen Mittag wurde vom Festungskommandanten auch im gesammten Festungsrayonsbezirk der Belagerungszustand proclamirt mit dem Befehl, dass innerhalb 24 Stunden alle Bäume, Hecken und Stäucher bis auf eine Entfernung von 300 Schritten vom Glacis der Festung geräumt sein müssten; ebenso sollten die Mauern, Häuser und Baracken im ersten Festungsrayon niedergelegt werden, damit die Behörde nicht später gezwungen sei, dieselben durch Feuer zu zerstören. In Folge dieses Befehls mussten nun die schönen Gärten und Alleen um Saarlouis herum schonungslos verwüstet werden und schon am folgenden Tag (Mittwoch, den 20 Juli) war Alles öde und kahl.

Donnerstag, den 21 Juli, Nachmittags gegen vier Uhr kamen von den am Sonntag, Montag und Dienstag nach Engers Abmarschirten die ältesten Jahrgänge  (1855 und 1856) sowie die gesammte Ersatzreserve wieder zurück, nur die Schuhmacher, Schneider und Sattler hatte man in den Militärwerkstätten zurückgehalten.

Während der Zeit vom 20. bis 30. Juli fielen an der Grenze beständige Vorpostengefechte vor, die aber immer zum Nachteil der Franzosen ausschlugen. Diese hatten am 20 Juli auch das erste Opfer des Krieges zu beklagen, welches auf eine Entfernung von ca 300 Schritt vor einem preußischen Füsilir in der Nähe der sog. Goldenen Bremm erschossen wurde. Allgemein wunderte man sich über die Unthätigkeit der Franzosen, welche doch längst schlagfertig an der Grenze aufmarschirt waren, sich aber nie weit über die preuß. Grenze vorwagten. Ganz anders dagegen war es auf unserer Seite. Patrouillen von 3-5 Mann drangen stundenweise ins feindliche Land ein und brachten dann jedes Mal einen oder den anderen Franzosen als Gefangenen mit ein. Besonders waren es die Ulanen und das vierzigste Regiment, welche sich bei derartigen Affairen am Meisten auszeichneten, so dass die erste Frage der Franzosen, wenn sie in eines der deutschen Grenzdörfer sich wagten, die gewesen sein soll: „Nix Vierziger pas ici?“

Samstag, den 23 Juli Abends traf mitten in diesem Kriegstrubeln der Hochwürdigste Herr, der Bischof von Trier von Rom kommend wieder in seiner Residenz ein. Derselbe hatte mit den übrigen deutschen Bischöfen die Sitzung des Konzils am 18. Juli, in welcher dir Frage von der Infallibilitas Papae ex cathedra loquentis zur Verhandlung und Entscheidung kam, nicht abgewartet sondern war bereits am 17. Juli von dort nach Hause gereist.

Am 27. Juli wurde der unterm 21.(unleserlich) vom Könige  ausgeschriebene Bettag gehalten, um von Gott Hülfe und Beistand in diesem uns aufgedrungenen Kriege zu erflehen. Am Nachmittag dieses Tages sammelten dann die zurückgebliebenen Steiger von hier, die 3 Ortsvorsteher und einige Kirchenrathsmitglieder auf meine Bitte und Anregung hin alte Leinwand, um daraus Charpie, Binden etc. für die Kriegslazarethe anzufertigen. Diese Arbeit wurde von Schulkindern und erwachsenen Mädchen besorgt, welche aus dem eingelieferten Material nicht weniger als:

169 Binden, in einer Länge von 2-18 Ellen, im Gewicht von 18 ½ Pfd.
  73 Tücher zu Cataglasinen im Gewicht von 12 ¾ Pfd.
  90 Tücher zu Compressen im Gewicht von 8 ¼ Pfd
  Einen weiteren Pack Comporessen zu 9 ¾ Pfd.
  71 größere und kleinere Handtücher; 37 Hemden, 16 große Betttücher;
  58 dreieckige Armtücher, 6 kleine Betttücher: 3 Kissenüberzüge,
  39 ½ Pfd Charpie (krause lange und Gittercharpie) herstellen.

Dazu kam noch ein großer Waschschwamm und etwas baares Geld.- Dabei sind aber nicht mitgerechnet jene Gegenstände welche von einzelnen Protestanten dahier gesammelt und in der prot. Schule hierselbst zu Lazarethzwecken verarbeitet worden sind, ebenso nicht der Betrag der Hauskollekte, welche von den einzelnen Bürgermeistern in ihren Bürgermeistereien ebenfalls zur Unterstützung der Kriegslazarethe abgehalten wurden, und welche, wie ich aus sicherster Quelle weiß, in Griesborn allein ein Ergebniß von 11 ½ Thlrn lieferte.

Sobald die Mobilmachung der einzelnen Truppentheile vollendet war, erfolgte in verdeckter Weise der Aufmarsch derselben nach der Grenze zu, wo jeder seinen bereits bestimmten Platz einnahm, so zwar, dass er vor einem etwaigen fendlichen Vorstoß gesichert war. Daher kam es, dass wir hier in Schwalbach nur zweimal den Durchzug einer Division (von Lebach, Saarwellingen, hier, nach Püttlingen) zu beobachten Gelegenheit hatten, während wir mit Einquartirung bis zum 8.August vollständig verschont blieben. Der erwähnte Durchmarsch fand Samstag den 6. von 9 Uhr Morgens bis Nachmittags 2 Uhr statt und zwar von der 13. Division, die aufs äußerste erschöpften Leute wurden von den Einwohnern von Schwalbach aufs Liebevollste mit Brod, Fleisch, Eiern, Esssig u. Wasser, kaltem Kaffee etc. gelabt. Montag den 8. August zog eine zweite Division desselben Weges, die in derselben Weise empfangen wurde. Dienstag den 9. August wurde nach Schwalbach und Knausholz das Achte Deutzer Küirrassier-Regiment (ca 600 Pferde, ohne Offiz. Preussischer LandwehrmannUnd Nichtcombattanten, und nach Griesborn ein ganzes Uhlanenregiment einquartirt, wovon das Pfarrhaus natürlich auch seinen antheil erhielt (Oberst, Major, 2 Burschen und 6 Pferde). Samstag, den 12. August gegen 6 Uhr Abends wurden dann eine sechspfündige Batterie des 5. Art.Regiments, 2 Compagnien des 18. Landwehrregiments (Division Kummer) hier einquartiert. In Knausholz lag ebenfalls eine Batterie Art. Und in Griesborn 2 Compagnien des 59. Regiments, davon beherbergte das Pfarrhaus vom Samstag Abend bis Mittwoch Nachmittag einen Major, einen Adjutanten, das Bataillonsbüreau, 3 Pferde und 3 Burschen, alles vom 18. Landwehrregiment (Polen) Die Leute sollten durch Magazinverpflegung beköstigt werden, allein die Lebensmittel kamen oft zu spät oder auch gar nicht, so dass die Quartirgeber nichts destoweniger die Leute auch zu verpflegen hatten, obgleich sie ohne Verpflegung einquartiert waren. Weitere Einquartierungen hatte die Pfarrei bis zur Beendigung des Krieges und bis zur Rückkehzr der deutschen Truppen nicht zu tragen.

Unterm 2. August fand die berühmte Eroberung von Saarbrücken statt, bei welcher Gelegenheit nicht ganz 3 Kompagnien vom 40 ten Regiment drei Divisionen Franzosen mit 30 Geschützen mehrere Stunden lang den zähesten Widerstand entgegen setzten, bis sie endlich, um nicht von der Übermacht erdrückt zu werden, auf das Gros der Armee in die Nähe von Kölln und Heusweiler zurückgingen. Über diesen großartigen Sieg, herrschte bei den Franzosen unendlicher Jubel, aber nicht lange sollte die ungetrübte Freude dauern. Schon am 4. August hatten die Deutschen unter Führung des Kronprinzen v. Preußen  einen entscheidenden Sieg über die Franzosen bei Weissenburg im Elsaß davon getragen; diesem folgte am sechsten August die siegreiche Schlacht bei Wörth. Früh am Morgen desselben Tages setzte sich auch die in hiesiger Gegend zwischen Köllerthal und Saarbrücken zusammengezogene Armee in Bewegung und ehe es vollständig Nacht wurde, waren die Franzosen schon bei Speichern oder Spichern, links von der Straße von Saarbrücken nach Forbach geschlagen und in der Richtung auf Metz zu zurückgeworfen. Nach mehrtägigen heftigen Kämpfen um Metz wurde Marschall Bazaine mit seiner Armee in die Festung abgedrängt und dort aufs engste cernirt. Am 3. September kam die Nachricht von der Niederlage und Gefangennehmung Napoleons mit seiner ganzen Armee bei Sedan, hier an, worauf sofort auf der Grube Victoria geschossen wurde. In Paris proclamirte man beim Eintreffen dieser Hiobspost die Republick. Inzwischen hatte die Grubeninspektion Befehl gegeben, in dem oberen Schlafhause ein Lazareth für Verwundete zu 32 Betten einzurichten und zum Schutz desselben gegen etwaige feindliche Angriffe oder Belästigungen die Genfer Neutralitätsfahne aufzustecken. (Mitwoch den 4. August) Weil aber in der ganzen Gegend kein Arzt verfügbar war, so musste der ursprüngliche Plan dahin abgeändert werden, dass mit den vorhandenen Betten etc andere Lazarethe subsidiert werden sollten. So erhielten Herr Pfarrer Schrod von Ensdorf für sein Privatlazareth im dortigen Pfarrhause 16 Bettstellen sammt Zubehör; aus den hier gesammelten und zu Lazarethzwecken verwendeten Leinwandbeständen 90 Compressen, 3 Kissenüberzüge, 3 Dutzend größere Handtücher; 43 größere dreieckige Armbinden; 16 große Betttücher; 2 Dutzend Hemden; 1 ½ Pfd. lange Charpie und einen großen Waschschwamm. Herr Pastor Feiten von Fraulautern erhielt ebenfalls für sein Privatlazareth aus dem Schlafhause 15 Bettstellen, doch ohne Bettzeug. Diese beiden Herren hielten, um dieses hier gleich zu erwähnen,  die genannten Lazarethe (Ensdorf mit 16 und Fraulautern mit 62-66 Betten) ohne jegliches Subsidium von Seiten des Staates- nur dass während der Rinderpest, wo in Fraulautern absolut kein Fleisch zu haben war, die Kommandantur von Saarlouis das nöthige Fleisch dem H. Pastor Feiten zur Verfügung stellte – bis tief ins Jahr 1871 hinein, während welcher Zeit sie über 4500 Verpflegungstage hatten. Daß ihnen dafür irgend welche Anerkennung von competenter Seite wäre zu Theil geworden, haben wir nicht in Erfahrung bringen können. Die übrigen Leinwandbestände von hier wurden dann an das Lazareth in Saarlouis abgegeben.

Occupation Roms  den 20. September 1870

Schon in der ersten Woche des Monats August zog Napoleon in seiner übelen Lage die wenigen Truppen, die er noch in Rom hatte von dort zurück. Natürlich glaubte man Italien werde die mit Napoleon abgeschlossene sogen. September-Convention respectiren, allein Victor Emanuel hielt es für besser, den günstigen Zeitpunkt zu benutzen um die durch den Sturm abgeschüttelten Birnen in seinen Sack fallen zu lassen. 1859 wurden seine Truppen geschlagen, allein nichts destoweniger erhielt er die Lombardei mit den kleinen Italischen Fürstenthümern; Garibaldi verschaffte ihm  Neapel; französische resp. Napoleonische Perfidie schenkte ihm den größten Theil des päpstlichen Gebietes; 1866 wurde er bei Custogge und Lissa geschlagen, aber Venezien bekam er dennoch. Nunmehr, wo Frankreich außer Stande war, seine Pläne zu verhindern, streckte er seine Hand auch nach dem bisherigen  kleinen päpstlichen Gebiet u. der Stadt Rom selbst aus. Unterm 13. September überschritten seine Divisionen an 3 Stelllen die päpstliche Grenze, drängten die wenigen päpstlichen Soldaten zurück, bombardirten  am 20. früh Rom selbst und schossen Bresche an der Porta pia. Darauf befahl der Papst den Widerstand aufzugeben, Rom capüitulirte und die italienischen Bataillone hielten unter klingendem Spiel ihren wenig ruhmvollen Einmarsch in die ewige Stadt. So war der Papst zur Abwechslung wieder einmal seines ganzen Landes beraubt und selbst ein Gefangener im Vatikan; denn auf die heuchlerischen Versicherungen einer lügenhaften Regierung, dass der hl. Vater vollständig frei sein werde, wird kein Vernüftiger etwas geben. Wundern soll es uns übrigens nicht, wenn über kurz oder lang gewisse Zeitungen aus diesem Vorfall den Beweiß herleiten, dass es jetzt mit der kath. Kirche und in specie des Papstthums zu Ende sei. Gibt es doch immer Menschen genug, auf welche das bekannte Wort Napoleons  I. auf Elba passt: „Sie haben nichts gelernt und nichts vergessen!,“ die es nicht zugeben wollen, was doch die Geschichte zur Evidenz bezeugt: „dass noch Keiner vom Papst gegessen habe, der nicht daran gestorben wäre!“ Eine traurige Tatsache sprang bei dieser Gelegenheit aber jeden unbefangenen Beobachter der erwähnten schmachvollen Beraubung des hl.Vaters, des ältesten legitimen Fürsten des Erdkreises, in die Augen, daß nämlich sämmtliche Regierungen Europas den schmählichsten Bankerott an allem Rechtlichkeits-Gefühl erlitten haben, da keine Einzige sich bewogen fand, gegen dieses unerhörte Attentat sich zu erheben oder ein Wort zu verlieren. Wie wir später in No. 175 Zweit. Blatt der Köln.-Volkszeitung v. 7.1872 gelesen, haben italienische Blätter zu Ende des Jahres 1870 oder Anfangs 1871 die Mittheilung gebracht, Bismarck selbst habe nach der Schlacht bei Sedan an das florentinische Kabinet die Mahnung resp. Weisung gesendet: „Jetzt nach Rom oder nie!“ eine Mittheilung, welche von keiner Seite her ein Dementi erfahren hat. Später, im Okt. 1872 erweiterte die genannte Zeitung ihre deßfallsige Mittheilung dahin, daß nicht einmal sondern zweimal diese Aufforderung von Bismarck an das florent. Kabinet gerichtet worden sei, das letzte mal mit dem Zusatz, dass er sid.h.Preußen oder Deutschland? / für alle etwaige Eventualitäten der ital. Regierung den Rücken decken werde. Mit Berufung auf diesen Hergang habe dann der it. Minister Visconti Venosta einem (französ.?) Diplomaten gegenüber erklärt, „das florent. Kabinet sei förmlich gezwungen worden  nach Rom zu gehen!“