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In diesem Bereich des Portals sollen in Ergänzung zum Werk über die Armeen des Deutsch-Französischen Krieges Anekdoten und Fotografien veröffentlicht werden. Diese Anmerkungen können sich auf bestimmte Einheiten, aber auch auf Episoden des Krieges beziehen. Die eingefügten Aufnahmen sowie Detailausschnitte können einfach über einen Klick vergrößert und betrachtet werden.

Wenn Sie Interesse an der Präsentation einer zeitgenössischen Aufnahme, evtl. mit zusätzlichen Angaben zur Person, haben, können Sie sich hierfür an den Editor von Napoleon Online wenden.

Sächsische Jäger im Winter 1870/71

Jäger vom sächsischen 1. Jäger-Bataillon Nr. 12 um 1870 (Sammlung Markus Stein)Der hier sich stolz in Dresden zur Aufnahme (Sammlung Markus Stein) posierende Jäger vom sächsischen 1. Jäger-Bataillon Nr. 12 dürfte imSächsische Jäger im Winter 1870/71 Winter 1870/71 eine „Tarnuniform“ angelegt haben. Die Geschichte des königl. Sächsischen 1. Jäger-Bataillons Nr. 12 (von Hagen, Freiberg 1909) beschreibt die Jäger Ende Dezember 1870 wie folgt:

„Um sich vom Schnee möglichst wenig abzuheben, hüllten sich die Posten stehenden Jäger mit Vorliebe in weiße Tücher und bedeckten den Kopf mit den in Frankreich üblichen weißen Zipfelmützen.“

Tschako und Achselklappe vom sächsischen 1. Jäger-Bataillon Nr. 12Die Aufnahme wurde entweder vor 1870 oder nach 1873 erstellt und unterstreicht den unter den französischen Truppen üblichen Ruf der sächsischen Jäger und Schützen als „chasseurs noirs“, da ihre dunkelgrünen Waffenröcke fast schwarzgrün waren – wie hier auch am geringen Unterschied zu den schwarzen Kragen und Aufschlägen zu erkennen ist.

Im ersten Band des Werkes zu den Armeen des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 finden sich weitere interessante Fotos zum Aussehen der sächsischen Infanterie, darunter auch eine Aufnahme des Stabes vom III. Bataillon des Schützen-Regiments Nr. 108 im August 1870 in Frankreich. Auch ein Tschako der sächsischen Jäger ist darin im Original abgebildet und erläutert.

"Blaue Kürassiere" unter den deutschen Truppen im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 

Ober-Lieutenant Keyl im bayerischen 2. Cuirassier-Regiment 1866 (Sammlung Gunther Erben)Eigentlich verbindet man mit den "deutschen" Kürassieren die Farbe Weiß, da sie der vorherrschende Farbton der Röcke bzw. Koller innerhalb der schweren Kavallerie im Jahre 1870 war. Blau war das Kennzeichen der französischen Kürassiere - bis auf die Bayerischen, die ebenfalls eine, im Vergleich zu den französischen Reitern, hellere Montur trugen. Das konnte unter den verbündeten deutschen Truppen zu Verwechslungen führen, wie eine Anekdote aus dem Tagebuch des bayerischen 9. Jäger-Bataillons (von Hoepfel, 1876 erschienen) erzählt:


"Fast zu gleicher Zeit kam aus der feindlichen Richtung eine preußische Husarenpatrouille, welche meldete, daß die Mittheilungen von früheren Patrouillen auf einem Irrthum beruhten, der sich nunmehr aufgeklärt hätte. Es seien nämlich von denselben bayerische Cuirassiere für französische gehalten worden."

Auf der hier präsentierten Fotografie (Sammlung Gunther Erben) ist Hermann Alexander Ludwig Keyl (1832-1887) zu sehen, der mit 17 Jahren als Freiwilliger mit dem Dienstgrad Unterkanonier in das 2. Königlich bayerische Artillerie-Regiment eintrat. Im Jahre 1857 wechselte er in das 2. Cuirassier-Regiment Prinz Adalbert, in dem er 1866 zum Oberlieutenant und Regimentsadjutant befördert wurde. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg, an dem er ebenfalls als Regimentsadjutant teilnahm (bestätigt durch das Militär-Handbuch mit Stand vom 16.4.1870), wurde er 1871 zum Rittmeister befördert und mit Patent Nr. 47 vom 29. Mai 1871 in das 1. Chevaulegers-Regiment Kaiser Alexander von Rußland versetzt.

Auf der um 1866 zu datierenden Aufnahme ist der typische, helle Mantel sowie der charakteristische Helm der bayerischen Kürassierwaffe zu erkennen. Mehr Details zu diesen und anderen Monturstücken bayerischer Kürassiere sind im ersten Band des Werkes zu den Armeen des Deutsch-Französischen Krieges zu entnehmen - unter diesen finden sich z.B. Detailaufnahmen mehrerer Helme oder des Waffenrocks Prinz Carls von Bayern, dem damaligen Inhaber des 1. Cuirassier-Regiments.

Französische Artillerie im Krieg von 1870/71

Lieutenant der französischen Artillerie um 1858 (Sammlung Markus Stein)Nach Rockdetails des französischen Lieutenants der Artillerieden zwei deutschen "Protagonisten" soll heute ein französisches Portrait veröffentlicht werden - nämlich das vom Lieutenant Jacques Loigerot, der im Annuaire Militaire de l'Empire Francais aus dem Jahre 1863 als Capitaine en second in der Funktion eines Bekleidungsoffiziers ("Officier d'Habillement") im 17. Artillerie-Regiment zu Pferd in Toulouse stationiert war. Im gleichen Regiment nahm er als Capitaine en second am Krieg 1870 teil und geriet am 29. Oktober in Gefangenschaft. Aus dieser kehrte er am 21. April 1871 nach Frankreich zurück.

Loigerot steht hier stellvertretend für die französische Artillerie stehen, die in den Deutsch-Französischen Krieg mit 15 fahrenden und 4 berittenen Regimentern zog, dazu kam noch das 16. Regiment der Artillerie-Pontoniers.

Die französische Artillerie war der Preußischen während des gesamten Krieges unterlegen, ein wichtiger Faktor für den siegreichen Feldzug der deutschen Armeen. Im Werk von Müller über die Entwicklung der Feld-Artillerie in Bezug auf Material, Organisation und Taktik von 1815 bis 1870 (Berlin 1873) findet sich auf Seite 329 ein Zitat aus einem Brief eines Generals aus dem französischen Korps Mac Mahon:

Was aber das Schlimmste, ist, daß unsere Artillerie in beklagenswerther Weise derjenigen der Preußen, sowohl was das Kaliber, als die Zahl betrifft, nicht gewachsen ist. Unsere 4pfdgn. Geschütze, hübsche Spielzeuge in einer Ausstellung, haben nirgends auch nur einen Augenblick vor den 12Pfdrn. der Preußen Stand halten können; Tragfähigkeit, Sicherheit und Schnelligkeit des Schusses, alles ohne Vergleich, ist bei unseren Feinden überlegen.

Während unsere Artillerie sich nie halten konnte, verließ die preußische ihre Stellungen nur, um zu avanciren; sie schien von der unseren nie getroffen zu werden und bewegte sich mit derselben Kaltblütigkeit und derselben Präcision wie auf dem Exercierplätze."

Capitaine Loigerot vom 17. Artillerie-Regiment zu Pferd 1867-1870 (Sammlung Louis Delpérier)Das Rockdetail des Capitaines der Linienartillerie mit Ordenoben präsentierte Portrait (Sammlung Markus Stein) zeigt den Lieutenant Loigerot vor seiner Versetzung zur Gardeartillerie 1858 im Kollett, das letztmals 1860 vor dem Deutsch-Französischen Krieg modifiziert wurde. Man kann sich also die Offiziere der französischen Linienartillerie zu Beginn des Krieges im Jahre 1870 in ähnlicher Montur wie hier gezeigt vorstellen. Ein weiteres Portrait (Sammlung Louis Delpérier) zeigt Jacques Loigerot als Capitaine im 17. Artillerie-Regiment zu Pferd während der Jahre 1867 bis 1870, also kurz vor Beginn des Krieges gegen die deutschen Staaten.

Im zweiten Band des Werkes zu Uniformen und Ausrüstung der Armeen von 1870/71 ist neben anderen Stücken auch ein Originalkollett der Artillerieoffiziere in mehreren Aufnahmen zu studieren, wie unser Lieutenant Loigerot es hier trägt. Ich danke dem Autoren des Bandes, Louis Delpérier, für die Bereitstellung detaillierter Informationen zur Laufbahn von Jacques Loigerot.

"Doppelte" Dienstgradabzeichen in der Württembergischen Armee 1870/71

Württembergisches Reiter-Regiment Nr. 1 - Rittmeister von Schott 1871 (Sammlung Markus Stein)Der hier präsentierte Rittmeister Rudolph von Schott vom 1. Reiter-Regiment König Karl zeigt an seiner Uniform eine interessante Seltenheit, nämlich das Tragen von Dienstgradabzeichen in zweierlei Form. Denn neben den noch in der Württembergischen Armee üblichen und am vorderen Rand der für das 1. Reiter-Regiment hellblauen Halbkragen schwach erkennbaren Rangsternen - für Rittmeister drei - trägt von Schott hier die erst kurz vor Feldzugsbeginn vorgeschriebenen Feldachselstücke nach preußischem Muster. Bei vielen Einheiten trafen diese Achselstücke erst während des Feldzuges ein, so beispielsweise beim 2. Infanterie-Regiment erst im September 1870. Sie sollten den verbündeten Preußen und anderen deutschen Truppen die Identifikation württembergischer Offiziere erleichtern.

Rittmeister von Schott zog in den Deutsch-Französischen Krieg als Kommandeur der 3. Eskadron im 1. Reiter-Regiment, das während der Schlacht von Woerth am 6. August 1870 zwei Offiziere sowie etwa 100 Mann Gefangen nahm und eine Fahne, drei Geschütze und eine Mitrailleuse eroberte. Nach der Niederlage der kaiserlichen Armee bei Sedan rückte das Regiment mit der württembergischen Kavallerie in Richtung Paris vor und erhielt am 28. September im Hauptquartier der württembergischen Felddivision den folgenden Befehl zum Eintreiben von Zahlungen französischer Zivilbehörden (aus der Geschichte des Ulanenregiments "König Karls" (1. Württembergischen) Nr. 19, von Griesinger, Stuttgart 1883):

Auf höheren Befehl soll im Departement Seine et Marne eine Kontribution von 1 Million Franken zu vorläufiger Entschädigung für die Verluste, welche dem deutschen Privateigentum durch französische Kriegsschiffe und durch Austreibung der Deutschen aus Frankreich zugefügt worden sein, erhoben werden.
Oberst von Harding des württembergischen ersten Reiterregiments erhält Befehl, mit seinem Regiment nach Melun zu rücken und zunächst zu versuchen, durch die dortige Präfektur eine ordnungsmäßige Repartition und Beibringung der geforderten Summe zu bewirken, wobei dieser Behörde militärischer Schutz und militärische Unterstützung zu gewähren ist. im Falle der Abwesenheit oder Unwillfährigkeit der genannten Behörde hat Oberst von Darling die erwähnte Summe in folgenden Städten des Departements nach beigesetzter, auf die Einwohnerzahl gegründeter Repartition: Melun 240,000, Fontainebleau 240,000, Provins 180,000, Coulommiers 100,000 und Meaux 240,000 Franken, beizutreiben.

Dienstgradabzeichen und Orden des Württembergischen Rittmeisters vom 1. Reiter-RegimentAllerdings konnten nur etwas über 150.000 Francs - teilweise mit Widerstand - eingetrieben werden, als sich das Regiment Mitte Oktober in den Belagerungsring um Paris einreihen musste. Einen bedeutenderen Kampfeinsatz hatte das württembergische 1. Reiter-Regiment dann nur noch bei Villiers am 30. November 1870, in die aber die 3. Eskadron des Rittmeisters von Schott nicht erwähnenswert eingriff.

Nach Beendigung der kriegerischen Ereignisse rückte die 3. Eskadron mit dem Regimentsstab am 19. März in Reims ein. Dort entstand auch die hier veröffentlichte Aufnahme (Sammlung Markus Stein), die den Rittmeister von Schott mit dem ihm Ende März 1871 verliehenen Eisernen Kreuz 2. Klasse zeigt. Nach Abschluss des Friedensvertrages von Frankfurt am 10. Mai 1871 verließ von Schott Reims und rückte mit seinem Regiment in die Heimat ab.

Auf dem Portrait trägt Rudolph von Schott noch das Kreuz eines Ritters 3. Klasse des russischen St. Anna-Ordens, eine Auszeichnung die im württembergischen Hof- und Staats-Handbuch von 1869 belegt ist. Den Orden dürfte er nach 1866 erhalten haben, da Rudolph von Schott im Staats-Handbuch von 1866 als Ober-Lieutenant der Feldjäger-Schwadron noch ohne Auszeichnung gelistet ist. Im Jahre 1877 ist von Schott Major im Ulanen-Regiment Nr. 19 und wird schließlich vom 19. Oktober 1885 bis 10. November 1888 als Oberst das 2. Württembergische Dragoner-Regiment Nr. 26 kommandieren.

Im ersten Band zu den Uniformen und der Ausrüstung der deutschen Armeen des Deutsch-Französischen Krieges sind für die Kavallerie der württembergischen Truppen 1870/71 auch ein Helm sowie ein Waffenrock abgebildet.

Ich möchte mich bei Ulrich Herr und Daniel Krause für ihre hilfreiche Unterstützung bei der Identifikation von Uniform und Orden bedanken.

Taktik der preußischen Jäger gegen Infanterie und Kavallerie

Mit dem Portrait eines preußischen Jägers um 1870 (Sammlung Markus Stein) soll der erste preußische Soldat als Protagonist des Deutsch-Französischen Krieges vorgestellt werden. Durch die Auswahl besonders geübter Schützen, vornehmlich unter gelernten Jägern, kam den zwölf Linien- und zwei Garde-Bataillonen preußischer Jäger eine besondere Rolle in der Bekämpfung des Gegners zu. Noch vor Beginn des Krieges gegen Frankreich wurde diese besondere Bedeutung auch durch die neuen Ausbildungsbestimmungen für Jäger und Schützen aus dem Jahre 1868 sowie einer Schießvorschrift von 1869 unterstrichen.

Preußischer Jäger in Feldmontur 1870 (Sammlung Markus Stein)Ein eindrucksvolles Beispiel für die Taktik der Jäger im Kampf gegen angreifende Infanterie und Kavallerie liefert die Geschichte des Jäger-Bataillons Nr. 10 von Gottberg und Eschwege (Berlin 1903). Am 26. November 1870 muss die 3. Kompanie des Bataillons unter Kommando des Lieutenants Clüver im Örtchen Lorcy (etwa 30 km nordöstlich von Orléans) ein Gefecht bestehen:

Vor dem südlichen Rande des Dorfes nach Ladon zu befindet sich zunächst ein ebenes Geländer, an dessen äußerstem Ende, etwa 200 bis 300 Schritt von diesem entfernt, ein tiefer, breiter, fast rechtwinklig auf die Chaussee Lorcy-Ladon mündender Graben sich befindet; von hier aber steigt das mit Weingestrüpp bewachsene Gelände sanft bis zu einer Höhe an, dessen oberster Rücken noch etwa 600 Schritte von diesem Graben bezw. 800 bis 900 Schritt von dem Dorfrande entfernt ist. Dieser selbst ist vollständig offen und für eine Verteidigung völlig ungeeignet, die einzelnen Häuser stehen mit der Giebelseite nach außen in einem Abstandet von etwa 20 bis 30 Schritten ohne Verbindung nebeneinander.
... Im Laufschritt führte er [Clüver] daher seinen Zug, bereits stark von der Höhe herab geschossen, bis zu diesem [dem Graben] vor und erwiderte erst von dort aus, aber nut mir einzelnen wohlgezielten Schüssen, das Feuer des Feindes. Die anderen drei Züge der Kompagnie blieben zunächst geschlossen auf der Dorfstraße, gedeckt hinter einem Hause, da eine Verwendung für sie nach Lage des Geländes vorläufig ausgeschlossen war.

Allmählich verstärkte der Feind seine Schützenlinie immer mehr und bewarf die Jäger in dem Graben, den er von der Höhe herab völlig übersehen konnte, mit einem Hagel von Geschossen, die glücklicherweise keinen Schaden anrichteten, sondern meistens zu hoch gingen und weit jenseits des Grabens einschlugen. Als der Feind die Verteidiger des Grabens wohl genügend erschüttert zu haben glaubte, ging er, mit seinen Schützen fortwährend feuernd, die Höhe herunter vor; ihnen folgten in geringen Abständen kleine geschlossene Abteilungen und diesen wieder in weiteren Abständen stärkere Kolonnen, so daß das Ganze auf zwei Bataillone geschätzt wurde.
Die Jäger verstärkten nun allmählich ihr Feuer, das sie hauptsächlich auf die geschlossenen Kolonnen richteten, und da der Leutnant Clüver und die Oberjäger, immer in dem Graben hinter den Schützen hin und her kriechend, ihre ganze Sorgfalt darauf richteten, daß stets richtige Visierstellung genommen und ruhig gezielt wurde, so erlitt der Feind starke Verluste. Dennoch blieb er mit Vorrücken, bis seine Schützen sich auf etwa 150 Schritt dem Graben genähert hatten; hier mußten wohl die Verluste zu groß werden, die Schützen warfen sich nieder, und Deckung hinter dem Weingestrüpp suchend, begangen sie zurückzukriegen. Sofort machten auch die geschlossenen Abteilungen "Kehrt" und alles verschwand wieder hinter der Höhe.

Brotbeutel, Feldflasche, Tabaksbeutel und Patronentasche eines preußischen Jägers 1870... Zwei Stunden ungefähr hatte bis jetzt das Gefecht gedauert, und trotz zweimaligen Angriffs von mindestens zwei Bataillonen hatte der Zug noch keine Verluste erlitten; nur der Kompagnieführer, Leutnant von Lösecke, welcher für seine Person dem Zuge gefolgt war, hatte während des zweiten Angriffs einen Streifschuss unter die Kniescheibe erhalten ... 
Kaum war diese Rückwärtsbewegung [nach einem dritten Angriff der französischen Infanterie] vom Feinde ausgeführt, und die Jäger glaubten, daß er nunmehr jeden Versuch, sie aus dem Graben zu vertreiben, aufgeben würde, als plötzlich Kavallerie erschien, die auf der Chaussee nach Lorcy heranjagte. Hatte sich die Grabenbesatzung durch eiserne Ruhe trotz des überlegenen dreimaligen Angriffs hervorgetan, so kam jetzt freudige Bewegung und Übermut in die Jäger, denn was wollte ihnen die eine Schwadron Chasseurs à Chevaleresk, welche Stärke sofort erkannt wurde, nach solchen Erfolgen noch anhaben? Und mit dem Rufe: "Kavallerie, Kavallerie!" rissen sie die Büchsen hoch, um auf dieselbe zu schießen. Doch dem lauten, energischen Kommando des Leutnants Clüver: "Büchsen herunter, niemand schießt!" gelang es sofort, die Ruhe wieder herzustellen. Und rasch, denn es handelte sich nur um Sekunden, befahl er: "Alle Klappen herunter, jeder schießt mit dem Standvisier und hält mitten aufs Pferd, aber erst auf das Kommando "Jetzt!"

Tschako eines preußischen Jägers 1870So ließ er dann die feindliche Schwadron bis auf 200 Schritt herankommen, dann kommandierte er "Jetzt!", und im selben Augenblick Stütze ein großer Teil der Schwadron auf die Chaussee zu Boden. Nur den letzten Reihen gelang es, "kehrt" zu machen und, noch stark von den Jägern beschossen, über die Höhe zurückzukommen, während fünf bis sechs Reiter der vordersten Reihe, darunter der Oberst, an den Jägern vorbei nach Lorcy hineinjagten, hier aber von den dort noch stehenden beiden Zügen der Kompagnie in Empfang genommen und von den Pferden geschossen wurden.

Außer zwei Chasseurs, die vor dem Dorfe abbogen, entkam keiner. Einem Chasseur gelang es noch, in das Dorf hinein zu reiten und durch Säbelhiebe den Marketender und einen Trainsoldaten zu verwunden, um bald darauf das gleiche Schicksal mit seinem tapferen Oberst zu teilen.

Am hier präsentierten Jäger, der sich ohne Tornister und mit leger nach links gelegter Feldmütze präsentiert, zeigt sich die gesamte Feldausrüstung, bestehend aus Brotbeutel, Feldflasche, Patronentasche und gerolltem Mantel. Dieser sollte eigentlich über der linken Schulter getragen werden. Das Ablegen der Tornister wird für die preußische Infanterie für zahlreiche Gefechte beschrieben, die Ersatzpatronen aus den im Tornister mitgeführten Büchsen sollten dann in den Mantel eingewickelt oder in den Hosentaschen mitgeführt werden. Im ersten Band des Werkes zur Uniformierung und Ausrüstung der Armeen von 1870/71 werden diese Teile der Feldausrüstung preußischer Infanterie und Jäger anhand von erhaltenen Originalstücken vorgestellt.

Auszeichnungen für besondere Schießleistungen

Feldwebel des 5. Rheinischen Infanterie-Regiments Nr. 65 in Beauvais 1870 (Sammlung Markus Stein)Hier präsentiert sich der Feldwebel einer Musketier-Kompanie des 5. Rheinischen Infanterie-Regiments Nr. 65 in Beauvais zwischen November 1870 und Januar 1871. Dieser Ort liegt zwischen Paris und Amiens, also im Operationsgebiet der I. Armee gegen französische Verbände im nördlichen Frankreich ab Mitte November 1870 bis Januar 1871. Die Regimentsgeschichte (anonym, Köln 1876) gibt im Anhang die mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichneten Feldwebel aller acht Musketier-Kompanien an, nämlich die Feldwebel Hölscher (1. Kompanie), Kuschnick (2. Kompanie), Kohlhaas (3. Kompanie), Krafzig (4. Kompanie), Kuthe (5. Kompanie), Nagel (6. Kompanie), Germar (7. Kompanie) und Breiser (8. Kompanie). Da die Feldwebel Kuthe und Germar nach dem Krieg von 1866 mit dem Militär-Ehrenzeichen 2. Klasse ausgezeichnet wurden, dürfte der hier präsentierte Feldwebel nicht von der 5. oder 7. Kompanie kommen, da er sicher diesen Orden neben dem Erinnerungskreuz von 1866 und der Dienstauszeichnung für mindestens neun abgeleistete Dienstjahre zeigen würde.

Jedoch präsentiert der Feldwebel auf der im Atelier Herbert angefertigten Aufnahme (Sammlung Markus Stein) noch eine andere Auszeichnung, nämlich die Schützenabzeichen in Form von weißen Borten mit schwarzem Mittelstreifen neben den Pattenknöpfen. Diese wurden jährlich an die zwölf besten Schützen jeder Kompanie verliehen, durch Anzahl und Breite der Borten konnten an den Ärmeln bis zu zwölf Variationen angebracht werden. Die A.K.O. vom 22. Mai 1868 beschreibt dies wie folgt (Militär-Wochenblatt 1868, S. 428):

Aufschlag mit Unteroffiziersborte und SchützenabzeichenBei Verleihung des gedachten Abzeichens als vierte Auszeichnung fallen die drei ersten Abzeichen von schmaler Borte weg und wir die vierte Auszeichnung - die breitere Borte - auf der Aermelpatte resp. über dem Aermel-Aufschlage ganz in derselben Weise angebracht, wie dies hinsiechst der ersten Auszeichnung vorgeschrieben ist. - Als fünfte, sechste und siebente Auszeichnung wird der breiten Borte die schmale Borte für die resp. erst, zweite und dritte Auszeichnung an der bisherigen Stelle hinzugefügt, während als achte Auszeichnung zwei breite Borten zu verleihen sind.
Sollten ausnahmsweise noch weitere Auszeichnungen vorkommen, so würden die betreffenden Personen als neuntes, zehntes und elftes Abzeichen zwei breite und resp. ein, zwei und drei schmale Borten, als zwölftes Abzeichen aber drei breite Borten erhalten.

Grundlage für die Schießübungen und den hieraus erzielten Ergebnissen bildet die Instruktion über das Scheibenschießen der mit Zündnadelgewehren bewaffneten Infanterie-Bataillone vom 2. November 1864, die ausführlich unter anderem im 2. Teil von Heerwesen und Infantereidienst (Witzleben, Berlin 1872) präsentiert wird. Die jährlich durchzuführenden Übungen erfolgen auf vier Scheiben, nämlich eine normale Scheibe von 120 cm Breite und 180 cm Höhe, eine "Mannsbreite" Scheibe von 40 cm Breite und 180 cm Höhe, eine "Kolonnen-" Scheibe von 240 cm Breite und 180 cm Höhe sowie einer "Spiegel-" Scheibe von 30 cm Durchmesser.

Achselklappe, Wappenknopf, Kragenborte und Auszeichnungen für 1866 und mindestens 9jähriger DienstzeitEs bestanden drei Schießklassen, wobei jeder Infanterist grundsätzlich in der dritten Klasse begann. in die zweite Klasse konnte nur aufrücken, wer sieben unterschiedliche Übungen mit weniger als 56 Patronen erfolgreich meisterte - unter diesen sind zum Beispiel drei Treffer auf die "Mannsbreite" Scheibe aus 120 Metern im freihändig knienden Anschlag. In die erste Klasse konnten nur die Infanteristen aus der zweiten Klasse gelangen, die nunmehr neun Übungen mit weniger als 56 Patronen meisterten - eine der Übungen verlangt zwei Treffer auf die "Spiegel"-Scheibe aus 120 Metern in liegendem Anschlag. Die erwähnten Schützenabzeichen durften nur an die zwölf besten Schützen unter den Infanteristen der ersten Klasse verliehen werden, sofern diese neun Übungen ihrer Klasse mit weniger als 61 Patronen erfolgreich meisterten - eine der Übungen verlangt fünf Treffer auf die "Kolonnen-" Scheibe aus 320 Metern in freihändigem Anschlag.

Im ersten Band des oben genannten Werkes zu den Uniformen und Ausrüstungstücken der Armeen im Deutsch-Französischen Krieg ist auch ein Unteroffiziersrock vom Infanterie-Regiment Nr. 16 mit Detailfotos präsentiert, an dem auch eine Schützenauszeichnung angebracht ist.

Die Garde stirbt ...

Einjährig-Freiwilliger des Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2 um 1870 (Sammlung Markus Stein)Auch wenn mit dieser Überschrift, die mit "aber sie ergibt sich nicht" endet, ein Zitat zur französischen Kaisergarde am Abend der Schlacht von Waterloo 1815 verbunden wird, trifft sie insbesondere für den 18. August 1870 auch für die preußische Gardeinfanterie zu. Beim Angriff auf die Orte St. Privat und St. Marie-aux-Chenes erlitten die neun preußischen Infanterie-Regimenter der Garde erhebliche Verluste, wie aus der Erfassung von Dr. Engel, Direktors des königlich preussischen statistischen Büros, im Werk "Die Verluste der deutschen Armeen an Offizieren und Mannschaften im Kriege gegen Frankreich 1870 und 1871", erschienen in Berlin 1872, eindrücklich hervorgeht (addiert sind Gefallene und Verwundete): 

  • 1. Garde-Regiment zu Fuß : 34 Offiziere - 96 Unteroffiziere - 917 Mannschaften
  • 2. Garde-Regiment zu Fuß : 38 Offiziere - 95 Unteroffiziere - 935 Mannschaften
  • 3. Garde-Regiment zu Fuß : 38 Offiziere - 96 Unteroffiziere - 953 Mannschaften
  • 4. Garde-Regiment zu Fuß : 25 Offiziere - 48 Unteroffiziere - 463 Mannschaften
  • Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1 : 22 Offiziere - 74 Unteroffiziere - 682 Mannschaften
  • Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment Nr. 2 : 38 Offiziere - 80 Unteroffiziere - 922 Mannschaften
  • 3. Garde-Grenadier-Regiment Königin Elisabeth : 22 Offiziere - 40 Unteroffiziere - 371 Mannschaften
  • 4. Garde-Grenadier-Regiment Königin : 25 Offiziere - 70 Unteroffiziere - 827 Mannschaften
  • Garde-Füsilier-Regiment : 5 Offiziere - 29 Unteroffiziere - 306 Mannschaften

Berücksichtigt man den Sollstand eines mobilisierten, preußischen Infanterie-Regiments zu drei Bataillonen mit 69 Offizieren, 247 Unteroffizieren und 2.676 Soldaten, wird ersichtlich, welchen Blutzoll die preußische Gardeinfanterie am 18. August 1870 für den entscheidenden Sieg über die französische Armee vor Metz zahlen musste.

Helm und Ärmelaufschläge der preußischen Garde-Grenadier-Regimenter um 1870Um Verluste durch Reflexionen der Ausrüstungsstücke zu vermeiden, wurden noch vor den ersten Kampfeinsätzen entsprechende Vorkehrungen getroffen. So berichtet Altrock in seiner Geschichte des Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiments Nr. 3 (Berlin 1897) auf Seite 141, dass

in diesen Tagen [Anfang August 1870] kleinere Anordnungen auf den bevorstehenden Feldzug hinwiesen ... die Erkennungsmarken vertheilt, Helme und Knöpfe nicht mehr geputzt werden sollten etc.

Zudem bestand seit der A.K.O. vom 3. Juli 1849 die Möglichkeit, die Metallteile des Helmes zu schwärzen. In der Veröffentlichung der A.K.O. im Militär-Wochenblatt von 1849 heißt es:

Des Königs Majestät haben mittelst Allerhöchster Kabinett-Ordre vom 3ten Juli d. J. zu genehmigen geruht, daß der blanke Helmbeschlag bei der gesammten Infanterie, mit Einschluß der Jäger und Schützen, bei dem Ausbruche eines Krieges mit einem - nach hergestelltem Frieden wieder zu entfernenden - schwarzen Lack-Ueberzuge versehen werde. Das Verfahren hierbei ist folgendes: die Beschläge werden von dem Helme heruntergenommen, und dann mittelst eines Pinsels mit dickem schwarzen Bernsteinlack, der aus jeder Farbehandlung bezogen werden kann, bestrichen. Nach dem Trocknen wird die Garnitur wieder auf den Helm geschraubt. Soll der schwarze Lack demnächst von den Beschlägen wieder entfernt werden, so geschieht dies, nachdem sie vom Helm abgenommen sind, durch Spiritus, zu dem etwas Kiehnöl hinzugesetzt wird, mittelst eines Tuchlappens.

Kragen und Achselklappe mit 'F' des Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2 um 1870Inwiefern der auf der Aufnahme (Sammlung Markus Stein) zuversichtlich in die Kamera blickende Einjährig-Freiwillige, der auf der Rückseite als Paul Wilhelm Köller (oder Köhler) bezeichnet wird, in den Krieg von 1870-71 gezogen ist, lässt sich anhand der Namenslisten in der Regimentsgeschichte zum Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment Nr. 2 nicht sagen - zumindest taucht er nicht in der Liste der Gefallenen auf. Die Aufnahme wird auf 1869 bis 1870 datiert, der Aufnahmeort ist Berlin, Garnisonsort des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments. Der abgelichtete Einjährig-Freiwillige wird nach der handschriftlichen Ergänzung am 9. Januar 1850 in Horst-Schloburg (nördlich von Elmshorn) geboren. 

Im ersten Band zur Uniformierung und Ausrüstung der Armeen im Deutsch-Französischen Krieg wird ein Originalhelm für Mannschaften der Garde-Grenadier-Regimenter vom Modell 1860 abgebildet, der genau dem Helm auf der hier präsentierten Aufnahme entspricht.

Gefangenschaft in der Fremde

Garde Mobile in Gefangenschaft Leipzig März 1871 (Sammlung Markus Stein)Der hier präsentierte Protagonist ließ sich im März 1871 im Atelier Wilhelm Koch in Leipzig fotografieren und blickt dabei nachdenklich in die Kamera. Denn der abgelichtete Soldat der "Gardes Mobiles" befand sich zu diesem Zeitpunkt in weiter Entfernung seiner Heimat, nämlich in Gefangenschaft. Dabei dürfte er zu einem späteren Kriegsverlauf den Weg in die Gefangenschaft angetreten haben. Denn die Mobilgarden wurden erst in der Phase des Krieges gegen die Republik ausgehoben, also zu einem Zeitpunkt, als schon fast 200.000 französische Soldaten nach den Kapitulationen von Sedan und Metz den Weg in die Gefangenschaft antraten.

Die enorme Zahl an Kriegsgefangenen stellte die deutsche Militärverwaltung vor Herausforderungen wie keine Armee zuvor und auch wenn 1870 noch keine kodifizierten Regelungen zur Behandlung von Kriegsgefangenen vorlagen, kommen die Historiker Butler und Maccoby in ihrem Werk The Development of International Law zum Schluss: "Deutschland behandelte die 250.000 französischen Gefangenen des Krieges von 1870 auf eine Art und Weise, die ihnen nennenswerte Härten ersparte.", zitiert in Ganschow et al., Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71, Graz 2009, S. 313.

Nach Abtransport der französischen Gefangenen aus den Kriegsgebieten wurden diese spätestens auf deutschem Boden an Landwehrsoldaten übergeben, die sie dann zu ihren Gefangenenlagern, meist in Festungen oder Gefängnissen, begleiteten. Eine Übersicht der Verteilung gibt der ehemalige Feldprediger E. Guers in seinem Werk von 1890 über die Gefangenen in Deutschland auf den Seiten 326 bis 327. Die folgende Tabelle gibt diese Zahlen für Januar 1871 absteigend sortiert wieder.

Ort Anzahl Gefangene   Ort Anzahl Gefangene
Mainz 27.830   Spandau 6.300
Koblenz 27.000   Wittenberg 6.040
Magdeburg 26.000   Iserlohn 6.002
Königstein (Sachsen) 20.000   Hohenasperg 5.804
Wesel 18.000   Küstrin 5.442
Köln 16.324   Kolberg 4.800
Stettin 16.000   Danzig 4.602
Posen 13.600   Glatz 4.600
Erfurt 12.066   Pillau 4.300
Glogau 12.004   Dortmund 4.260
Minden 12.004   Graudenz 3.520
Rastatt 8.202   Thorn 3.120
Neisse 7.902   Darmstadt 2.721
Kosel 7.800   Essen 2.401
Königsberg 7.510   Hamburg 2.047
Ulm, Ingolstadt, Augsburg 7.206   Bromberg 2.004
Tropau 7.000      

Zu diesen Gefangenenzahlen kommen nach Guers noch 15.000 Offiziere und 10.000 Kranke bzw. Verletzte hinzu. Vor allem Städte mit großen Zahlen an Gefangenen, dürften sie auf mehrere Lager und Orte verteilt haben. Guers gibt beispielsweise für Leipzig eine Zahl von etwa 2.000 französischen Soldaten an, die als Gefangene auf ihre Rückkehr in ihr Heimatland warten, darunter auch der hier präsentierte Mobilgardist.

Kepi und Rockdetails des Garde Mobile 1871Im Gegensatz zu den wenigen, gefangenen deutschen Soldaten in Frankreich, die einen Tagessold von 50 Centimes ausbezahlt bekamen, erhielten die französischen Gefangenen in den deutschen Lagern kein Geld. Nur französischen Offizieren wurde ein monatliches Geld von 12 bis 25 Taler zugeteilt, gefangene deutsche Offiziere in Frankreich erhielten zwischen 100 und 333 Francs pro Monat (alle Zahlen aus Buntschli, Völkerrechtliche Betrachtungen über den französisch-deutschen Krieg 1870/71, 1871, S. 297).

Die Versorgung der französischen Kriegsgefangenen wurde gemäß "Regulativ über die Behandlung und Beschäftigung der Kriegsgefangenen nach erfolgtem Eintreffen in den Gefangenen-Depots" vom 30. Juli 1870 angewandt. Der Kölner Lehrer Kamp schreibt in seinem Werk über die französischen Kriegsgefangenen aus dem Jahr 1874:

"In den Baracken erhielt jeder Gefangene zwei Decken, ein Kopfkissen und einen Strohsack, dessen Nachfüllen mit frischem Stroh nach Bedürfnis geschah, da das für Friedenszeiten festgestellte Quantum nicht hinreichte. Das Gleiche fand in Betreff der Heizungsmaterialien statt, und auch für dieKüchen wurde nach Bedürfnis geliefert. Bei den Bestrebungen, den sehr mangelhaften Bestand von Kleidungsstücken durch Einrichtung von Handwerksstätten und durch Verteilung der von allen Seiten reichlich zuströmenden Liebesgaben zu verbessern, mußte man oft die sehr traurige Erfahrung machen, daß die Gefangenen die ihnen gelieferten Sachen zu Spottpreisen verkauften, um sich dem augenblicklichen Genuß von Branntwein hingeben zu können. Nach und nach gelang es endlich auch strenge disciliplinarische Maßregeln, daß jeder Mann mit zwei Hemden und einem Paar Schuhen oder Stiefeln versehen war ...
Die Verpflegung wurde an Lieferanten contractlich übergeben und sowohl die Güte der gelieferten Victualien, als auch des täglichen Essens vor der Verausgabung durch die Compagnie-Führer und die Menage-Commission geprüft. Der Kriegsgefangene erhielt täglich 12 ½ Loth Rindfleisch oder 6 Loth Speck - auf Wunsch wurde auch Hammelfleisch verausgabt - 10 Loth Reis oder Erbsen oder Bohnen oder 7 ½ Loth Graupen, 15 Loth Kartoffeln, 1 Loth Kaffee, 1 Loth Salz; dazu die vorgeschriebene Brodportion.

Die Kriegsgefangenen durften auch ihre Lager verlassen, wie der Mobilgardist D. in seinen Souvenirs de Captivité, erschienen 1879, beschreibt. Mehrfach erwähnt er Spaziergänge nach Jüterbog. Er erzählt auch von der Rückkehr der Gefangenen ab Mitte März, vielleicht hat sich also der Mobilgardist in Leipzig auf der hier präsentierten Aufnahme (Sammlung Markus Stein) auch nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft fotografieren lassen?

Im zweiten Band des Werkes zur Uniformierung und Ausrüstung der Armeen von 1870/71 kann ein Original-Kepi vom Modell 1868 betrachtet werden, das auch der Mobilgardist in Leipzig in seiner Hand hält. Auch ein Waffenrock, dunkelblau mit krapproten Kragen und Aufschlägen ist im Original abgebildet. Gut erkennbar ist beim hier präsentierten Soldaten der krapprote Seitenstreifen auf der blaugrauen Hose.

Bayern stiften Verwirrung

Die bayerische Armee unterschied sich in ihrem Aussehen noch deutlich von den meist nach preußischem Muster gekleideten deutschen Truppen. Das fing bei der Farbe der Waffenröcke mit Hellblau für die Infanterie und Dunkelgrün für die Kavallerie an und zog sich hin bis zu den Dienstgradabzeichen. Während die württembergischen Offiziere neben ihren Kragenauszeichnungen noch die Feldachselstücke trugen (siehe Rittmeister Schott weiter oben), hielt das bayerische Heer an ihrer besonderen Auszeichnung fest. Dies konnte zu Verwirrung bei den verbündeten deutschen Truppen führen, wie die Regimentsgeschichte der 6. bayerischen Chevaulegers (von E. Heinze, erschienen 1898) in der Anmerkung 2 auf Seite 632 beschreibt:

Unterlieutenant Gräf des bayerischen 6. Chevaulegers-Regiment um 1870 (Sammlung Markus Stein)"In Markirch ereignete sich ein komischer Vorfall. Es befand sich dortselbst außer den Chevaulegers auch ein Kommando preußischer Ulanen. Da die Offiziere der letzteren vermuteten, daß der Oberst des 6. Chevaulegers-Regiment demnächst nach Markirch kommen werde, um bei seinem Detachement Umschau zu halten und da dies möglicherweise zu einer Zeit geschehen konnte, zu welcher Lieutenant Frh. v. Podewils dienstlich abwesend war und dieser sodann die Ulanen-Offiziere seinem Kommandeur nicht vorstellen konnte, so ließen die preußischen Offiziere sich den Obersten nach seinem Aussehen beschreiben. Frh. v. Podewils erklärte ihnen nun, der Oberst Frh. v. Krauß sei von großer Statur, habe einen grauen Vollbart, eine breite silberne Tresse um den Kragen und 3 silberne Striche am Kragen (die damalige bayerische Gradauszeichnung), er trage ferner einfache Epaulettes ohne Frangen. Der Zufall wollte, daß der Stabstrompeter des Regiments, Göttling, gleichfalls ein großer Mann mit grauem Vollbart, der aber 2 breite silberne Tressen und die gewöhnlichen Mannschafts-Epauletten trug, die Erlaubnis erhalten hatte, Markirch anzusehen, und daß Göttling früher dorthin kam als der Oberst. Göttling wollte sich beim Lieutenant Frh. v. Podewils melden, den er in Markirch anwesend glaubte, was aber nicht zutraf; weil es eben Mittagszeit war und Göttling hörte, die deutschen Offiziere befänden sich im Gasthause bei Tische, so schritt der Stabstrompeter wohlgemut auf das betreffende Lokal zu und trat ein. Die Ulanen-Offiziere sprangen sofort auf und stellten sich Göttling vor. Dieser suchte verblüfft vergeblich nach dem Lieutenant Frh. v. Podewils und drückte sich nun eiligst mit der verlegenen Bemerkung: 'Ich glaub', da bin ich unrecht!' zur Thür hinaus. Die Ulanen-Offiziere waren nun ihrerseits natürlich auch höchlichst erstaunt über das Benehmen des vermeintlichen Obersten. Göttling hatte ja keine Schwalbennester mit Frangen an den Epaulettes und die Gradauszeichnung am Kragen bleib den Preußen stets ein Schrecken und eine terra incognita, aber sie waren noch mehr erstaunt, als ihnen Frh. v. Podewils mitteilte, daß sie sich dem Stabstrompeter des Regiments vorgestellt haben!"

Schuppenepauletten und Kragen mit Dienstgradtresse eines bayerischen UnterlieutenantsAuf dem hier präsentierten Foto (Sammlung Markus Stein) ist der Unterlieutenant Gräf aus dem bayerischen 6. Chevaulegers-Regiment Großfürst Constantin Nikolajewitsch zu sehen, also aus dem gleichen Regiment wie der Stabstrompeter Göttling. In der Liste der Unterlieutenants im Anhang der Regimentsgeschichte von Heinze ist Gustav Gräf mit der Nummer 173 beschrieben. Er wurde am 11.6.1846 geboren und trat im August 1864 als Junker in das 6. Chevaulegers-Regiment ein. Am 20. Mai 1866 wurde er zum Unterlieutenant befördert und nahm als solcher am Krieg gegen Frankreich teil. Mit Beförderung zum Premierlieutenant am 3. November 1872 trat er in das bayerische 1. Ulanen-Regiment über. Die Mobilmachungsliste des Regiments von 1870 gibt Gräf als detachiert zum Stab der 2. bayerischen Infanterie-Division an.

Nicht nur die Dienstgradabzeichen konnten bei den anderen deutschen Truppen zur Verwirrung führen, auch die eigene Farbgebung der Monturen konnte zu ernsthaften Konsequenzen führen, wie in der Regimentsgeschichte zu den Königs-Chevaulegers (Maximilian Ulrich, erschienen 1892) auf den Seiten 416 und 417 zu lesen ist. Zu Beginn der Schlacht von Beaumont kam es zu folgender Begebenheit:

"Dem ersten Schuß folgten mehrere und bald war das ganze Kanonenconcert im vollsten Gange. Seltsamer Weise war einer der ersten Schüsse, welcher deutscherseits fiel nicht an die Adresse der Franzosen gerichtet, sondern sie galten unseren Reitern, speciell uns Königs-Chevaulegers. Wir haben nämlich, wie wir hier erinnern wollen, erwähnt, daß die 2. Escadron unseres Regiments den Auftrag erhalten hatte, den zu Beaumont und Sommauthe liegenden, stellenweise Urwaldcharakter tragenden Forst zu eclairiren. Die eine dieser Kolonnen stand unter dem Commando des Oberlieutenants Freiherrn von Reitzenstein, die andere unter dem des Lieutenants Klein. Als die erster nun aus dem Walde von Beaumont trat, erhielt sie plötzlich von einer, zwei Kilometer entfernten Lichtung Granatfeuer. - Der rauhe Gruß, der glücklicherweise keinen Schaden that, rührte von einer preußischen Batterie des Corps Alvensleben her, welche unsere Grünröcke für Franzosen ansah und ihnen einige Stahlpillen zusandte.

Im ersten Band des Werkes zur Uniformierung und Ausrüstung der Armeen im Deutsch-Französischen Krieg kann an mehreren bayerischen Originalröcken der Infanterie und Kavallerie die Besonderheit der Farbgebung und der Dienstgradabzeichen für Unteroffiziere und Offiziere studiert werden.

Mystifizierung der französischen Zouaven

Unteroffizier der Zouaven während der Belagerung von Straßburg 1870 (Sammlung Louis Delpérier)Beim Lesen der Erinnerungen des Füsiliers Fischer aus dem Magdeburgischen Füsilier-Regiment Nr. 36 wurde ich auf Seite 47 der Ausgabe von 1904 auf die folgende Stelle aufmerksam:

"So näherten wir uns denn [am 18. August 1870] Rezonville. Dicht am Wege dort, wo die Chaussee von Vionville in das Dorf hineinführt, hatte eine Mitrailleusenbatterie gestanden; von der Unmasse der von dieser verschossenen Kugeln zeugten ganze Berge von Patronenhülsen. Auch fanden wir hier den ersten gefallenen Zuaven, eine große Figur mit greisem Vollbart, in vollem Marschornat, wie wir erst hier recht deutlich sahen, viel schwerer bepackt als wir. Von der sagenhaften Katze war nichts zu sehen."

Eine Recherche über Zouaven und Katzen ergab zunächst den Hinweis, dass Zouaven auch Katzen als Maskottchen mitführten, hier ein Eintrag aus der Zeitschrift Erheiterungen vom 1. Dezember 1854:

"Die neueste Pariser 'Illustration' bringt unter ihren Bildern aus dem Lager von Sebastopol unter Anderm auch zwei Zuaven, die auf der Höhe ihrer Tornister lebendige Katzen hocken haben. Es wird in dieser Beziehung geschrieben: 'Die Zuaven haben die eigentümliche Manie, eine Menagerie mit sich zu führen, ohne daß man den Grund und den Ursprung dieser Sitte wüßte. Die Zahl der Katzen, die auf den Tornistern der Zuaven leben und sie überall hin begleiten, ist beträchtlich. Unter dem Donner der Kanonen, im Gewühl des Feldlagers bleiben diese Katzen ruhig und unbeweglich auf ihrem Sitze liegen."

Französischer Gardezouave um 1863 (Draner)Hierzu passt eine Abbildung des Malers Draner, die die im obigen Zitat beschriebene "Menagerie" inklusive einer Katze illustriert - sie stammt aus einer Artikelserie über Tiere und Soldaten des französischen Armeemuseums. Schon diese Tafel aus französischer Feder soll die "Kaltblütigkeit" der Zouaven mit dem ruhigen Anzünden der Granate mittels Zigarette unterstreichen - auf seinem Tornister befindet sich eine der oben beschriebenen Katzen. Recherchiert man nun die Rezeption dieses Rufes in der deutschen Literatur, trifft man unter anderem auf diese Passage im Band 2 der gesammten Naturwissenschaften für das Verständniß weiterer Kreise und auf wissenschaftlicher Grundlage bearbeitet, erschienen 1861 in Essen:

"Auf der Wahlstatt vor Sebastopol fand man die Leichen von Zouaven, bewacht von großen schwarzen Katzen, welche, auf den Tornistern sich festklammernd, denselben in's Treffen gefolgt waren und durch furchtbare Bisse den Tod ihrer Herren an den Mördern zu rächen versucht hatten."

Neben dieser Beschreibung in einem naturwissenschaftlichen (!) Werk kursiert in den 1850er/1860er Jahren vor allem in englischen und französischen Zeitschriften eine Anekdote, die vielleicht ebenfalls ihren Anteil an der Mystifizierung der Zouaven hatte. Hier wird die Legende von der "Katze des Zouaven" während der Schlacht von Alma auf der Krim erzählt, im Folgenden die Übersetzung von Le Chat du Zouave, erschienen in der Revue Britannique des Jahres 1855:

"Bei Alma stand man den Russen gegenüber. Das Horn erklang; der Zouave ergriff seine Waffen und reihte sich ein; die kleine Katze war auf ihrem Posten [auf dem Tornister]; die Granaten fliegen umher; die kleine Katze zeigt keine Furcht. Der Kampf beginnt; der Soldat wirft sich dem Feind entgegen; er rennt; er wirft sich auf den Boden, um einer Mörsergranate auszuweichen; er erhebt sich wieder, wirft sich wieder hin, steht wieder auf und kämpft Mann gegen Mann; die kleine Katze bleibt bei ihm. Schließlich trifft eine Kugel den Zouaven, der blutüberströmt zu Boden fällt; sofort findet die kleine Katze die Wunde, betrachtet diese und leckt sie mit ihrer Zunge. Damit wird die Blutung gestoppt, ein Eitern verhindert und so viel Zeit gewonnen, dass der Arzt die Wunde verbinden kann. Diese Geschichte der kleinen Katze wurde berühmt. So wurde ihrem Herren beim Transport in das Hospital von Konstantinopel die Ausnahme genehmigt, den kleinen Begleiter mit seinem Herren mitführen zu lassen."

In den deutschen Staaten scheint sich jedoch eher eine negative Legende verbreitet zu haben, wie auch aus dem Gedicht Der Glacéhandschuh zu entnehmen ist. Hier die vierte Strophe, erschienen im Band 12 des Münchener Punsch im Jahre 1859:

Jacke eines Unteroffiziers der französischen Zouaven"Und Europa winkt wieder - Da speit das endlich geöffnete Alpenthor - Zweimalhunderttausend Franzosen auf einmal hervor.
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier  - Auf das Edle schwarz und gelbe Thier - Und drohen mit grimmigen Tatzen.
Und Austria, mit donnerndem Gebrüll - Richtig sich auf --- da wird's still.
Und herum im Kreis - Lagern, von Mordsucht heiß, - Garden, Linien, Chasseurs und die Zouaven mit ihren gräulichen Katzen."

Auch wenn die letzte Textstelle aus einem Gedicht stammt, das eindeutig Sympathie für die österreichische Seite im Jahre 1859 zeigt, unterstreicht es erneut die Mystifizierung der französischen Zouaven. 

Der sich hier auf einer Aufnahme aus der Sammlung von Louis Delpérier präsentierende Unteroffizier der französischen Zouaven unterstreicht den Irrsinn der auf beiden Seiten breit vertretenen Legenden bzw. Mythen. Fast ängstlich blickend ließ sich der Soldat in Straßburg während der Belagerung 1870 fotografieren. Noch mehr Ängste riefen bei den deutschen Soldaten die Turkos hervor, aber diese sollen zu einem späteren Zeitpunkt näher betrachtet werden.

Im zweiten Band zu den Uniformen und Ausrüstungen der Truppen im Krieg von 1870-71 bestätigt Louis Delpérier die Legendenbildung um die Zouaven und stellt zahlreiche Effekten ihrer orientalisch geprägten Montur vor.